Mittwoch, 15. Juni 2016

Gehören Straßenhunde in deutsche Haushalte?

Meine Antwort darauf ist ein klares Jain.
Offensichtlich gibt es eine Reihe von Pro- und Kontraargumenten, weshalb die Vertreter beider Seiten sich immer wieder, vorallem auf social-media Plattformen, in die Haare kriegen und am Ende zu keinem Ergebnis kommen.
 Meine Beobachtungen und die daraus folgenden Schlussfolgerungen sind in Ungarn gemacht worden. Daraus schließt sich, dass es in anderen Ländern (oder sogar anderen Landteilen) völlig andere Beobachtungen gemacht werden könnten.

Doch was ist eigentlich ein Straßenhund?
Meiner Definition nach sind die Hunde, die man tatsächlich auf der Straße sieht in vier Kategorien einzuteilen.

1. Die gebürtigen Straßenhunde.

Es gibt Hunde, die seit Geburt an auf der Straße leben. Diese schließen sich dem Menschen in der Regel nicht an. Sprich sie haben keinen Zugang zu einem Haushalt und auch keinen Besitzer, und somit auch keine verantwortliche Person. Diese Hunde werden im Höchstfall von Anwohnern, oder Touristen ab und an mal gefüttert, sind aber in ihrem Tun absolut frei und halten sich dort auf wo es ihnen gefällt bzw. wo sie nützliche Ressourcen vermuten (Futter, Wasser, angenehmer Schlafplatz, etc.). Ein Straßenhund ernährt sich in der Regel von Müll, den die Menschen zurücklassen. Der gebürtige Straßenhund hat dem Menschen gegenüber eine gesunde Skepsis und hält meist einen Sicherheitsabstand bzw. braucht sehr lange um Vertrauen zu fassen. Stammt das Tier allerdings von einem Muttertier ab, das keine/ wenig Skepsis dem Menschen gegenüber hat, weil diese ausgesetzt wurde oder in irgendeiner Form Menschenanschluss hat oder wiederum von einer Hündin großgezogen wurde, die dies hatte, kann der Straßenhund in der zweiten oder dritten Generation immernoch positives, offenes Verhalten dem Menschen gegenüber zeigen. Dies hängt natürlich wiederum auch von genetischen Aspekten und den bisherigen Erfahrungen des Tiers ab.

Dieser Welpe wurde auf der Straße geboren.


2. Straßenhund durch aussetzen

Das sind Hunde, die eine verantwortliche Person hatten und von dieser in irgendeiner Form versorgt wurden. Sprich gefüttert wurden, einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt bekommen haben etc. Diese Hunde hatten sich also dem Menschen mehr oder minder freiwillig angeschlossen und von dessen Anwesenheit profitiert. Durch den Akt des Aussetzens werden dem Hund bisher vorhandene Ressourcen entzogen und der Hund wird z.B. nicht mehr auf sein Grundstück gelassen oder gezielt an einen anderen Ort gebracht um den Hund in ungewohnter Umgebung ohne Orientierung zurück zu lassen. Diese Hunde werden nach dem Aussetzen auch nicht mehr gefüttert. Dadurch, dass diese Tiere vorher Anschluss hatten und von diesem profitiert haben, ist wahrscheinlich, dass sie sich auch in Freiheit wieder in irgendeiner Form dem Menschen anschließen und versuchen von ihm zu profitieren. Manche Hunde halten sich sogar gezielt in der Nähe von bestimmten Menschen bzw. deren Grundstück auf und verteidigen dieses auch dann.

Ausgesetzte, trächtige Hündin. Sie freut sich, dass Menschen sie besuchen kommen.


3. Freilaufende Besitzerhunde

Freilaufende Besitzerhunde sind Hunde, welche eine verantwortliche Person, also einen Besitzer, haben. Sie werden meist von diesem gefüttert und werden eventuell sogar auch anders versorgt (z.B. medizinische Behandlungen, sicherer Schlafplatz, etc.). Die Haltung von freilaufenden Besitzerhunden ist mit der Haltung von Freigängerkatzen in Deutschland zu vergleichen. Die Hunde haben also immer wieder Zugang zu ihrem Grundstück, verbringen aber auch viel Zeit auf der Straße. Die Hunde verbringen ihr Leben also in Freiheit, sind aber im Idealfall kastriert und gechipt (in Ungarn zum Beispiel gibt es eine Chippflicht für Besitzerhunde), kriegen regelmäßig etwas zu fressen und erleben den Menschen als wertvolle Ressource. Der freilaufende Besitzerhund schließt sich auch gerne immer wieder neuen Menschen an, je nach dem welche Ressourcen diese ihm bieten können.

Freilaufender Besitzerhund "Dingo". Er schließt sich immer wieder ausgewählten Touristen an.





4. Hunde die sich selbst ausgesetzt haben

Die Überschrift ist natürlich ein bisschen sarkastisch zu sehen. Kein Hund setzt sich wirklich selbst aus. Dennoch gibt es Gründe aus denen ein Hund abhanden kommt, ohne dass sein Besitzer ihn wirklich aussetzt. So gibt es Hunde, die bei einem Spaziergang einem Hasen hinterher hetzen und nicht mehr heim finden, in der Läufigkeit sich auf die Suche nach dem anderen Geschlecht machen und dann verschwinden, oder sich aus für den Hund logischen Gründen auf den Weg machen um bessere Gegebenheiten zu finden.

Läufige Schäferhündin auf der Suche nach Rüden.



Sieht man sich diese Übersicht von Straßenhundtypen an, wird schnell klar, dass man zwischen den Individuen unterscheiden muss um die Frage, ob diese Hunde in deutsche Haushalte gehören, beantworten zu können. Ein Hund, der auf der Straße geboren wurde und nie positiven Kontakt zu Menschen hatte, wird sich in fast allen Fällen mehr als schwer tun, wenn er in einen Haushalt soll. Ein freilaufender Besitzerhund, welcher es bis dato nicht kennt eingesperrt zu sein und Probleme selbstständig löst, wird höchstwahrscheinlich nicht zum zahmen, gehorsamen Vorzeigehund. Dennoch werden diese grundverschiedenen Straßenhundtypen unter dem großen "Straßenhundlabel" in einen Topf geworfen. Die meisten von ihnen passen sich an ein Leben im deutschen Haushalt mehr oder minder nahtlos an. Dennoch gibt es Hunde, die nach Deutschland kommen und massive Eingewöhnungsschwierigkeiten haben, was zum Teil auf das Unwissen vieler Halter, aber auch auf die bisherigen Erfahrungen die der Hund gemacht hat zurück zu führen ist. Je nach dem welcher Straßenhundetyp also ist, ist es einfacher oder schwerer für den Hund sich anzupassen.

Die große Frage ist also: Welche Erwartungen habe ich an den Hund?


- Ist das neue Zuhause auf dem Land oder in der Stadt?
- Darf der Hund Jagdtrieb haben?
- Muss der Hund alleine bleiben können?
- Muss der Hund immer überall dabei sein können?

Wir und mit uns auch die Gesellschaft erwarten eine ganze Menge von Hunden, die in einer Familie leben. Sie sollen alleine bleiben können, uns zu spannenden Orten wie dem Biergarten begleiten, Fuß gehen, sich mit jedem Hund verstehen, abrufbar sein und ihr Fressen auf Kommando ausgeben.
Das kann für einen Hund sehr viel und vorallem unlogisch sein.

Es gibt so viele verschiedene Individuen, sowie es auch so viele verschiedene Arten von einem "neuen Zuhause" gibt. Ein Hund, der sich in den einen Haushalt so gar nicht anpassen will, fühlt sich in einem anderen vielleicht sehr wohl.
Was ich damit sagen will ist, dass die Antwort auf die Frage "Gehören Straßenhunde in deutsche Haushalte" nie ein klares Ja oder Nein sein kann, da es für mich immer eine Einzelfallentscheidung sein wird.

Es gibt Hunde, die sich auch nach Jahren scheinbar nicht an unsere Gesellschaft anpassen wollen. Diesen Hunden tut man sicherlich einen Gefallen, wenn man sie in dem für sie funktionierenden System verweilen lässt.

Auf der anderen Seite gibt es unzählige Tiere, die in einem liebevollen Haushalt aufblühen und sich wohl und geborgen fühlen und das ist eine weit höhere Zahl an Tieren.

Am Ende ist es wichtig die zu retten, die gerettet werden möchten und sich nicht an den menschlichen Vorstellungen eines guten Hundelebens festzuklammern.

Straßenhündin Kroshi, welche kastriert und wieder der Straße entlassen wurde.

Mittwoch, 11. Mai 2016

Markerwort / Clickwort

Wahrscheinlich wirkt es unheimlich belustigend, mich auf dem Feld mit meinen Hunden stehen zu sehen. Da stehe ich und flöte fröhlich Wörter wie " Top" und "Yes" vor mich hin und wiederhole das immer und immer wieder zu scheinbar zufälligen Zeitpunkten. Beobachtet man mich genauer, sieht man mich dann ab und an Leckerchen werfen, oder plötzlich in eine andere Richtung sprinten. Das ist sicherlich spannend anzusehen, doch was soll der Unfug?

Was ich dort im Begriff bin zu tun ist Markertraining. Sicherlich kennen viele schon das bekanntere Clickertraining. Hierbei findet eine Konditionierung (Verknüpfung) zwischen positiven Verhalten, Clickgeräusch und einer Belohnung statt.

Beim Markertraining nimmt man statt dem Click einfach ein kurzes Wort, welches man im Alltag bisher nicht häufig verwendet. Ansonsten ist das Prinzip das Selbe.

Was also dort auf dem Feld passiert ist:

Hund sieht Fremdhund   
     "Top"                                         Leckerchen fliegt
 und verhält sich ruhig         (Markerwort folgt)                     (Belohnung)
(positives Verhalten)

Aber was genau passiert denn da?
Ist das Markerwort gut eingeübt, kündigt dieses immer eine Belohnung an. Das eben gezeigte Verhalten wird also punktgenau bestätigt und sagt: " Das fand ich klasse, dafür gibt es was!". Die Belohnung kann (und sollte auch) völlig unterschiedlich aussehen. Dies hängt davon ab, welche Möglichkeiten man hat und womit sich der Hund motivieren lässt. Als Belohnung eingesetzt werden kann z.B. : Futter, freundliche Worte, Streicheln, Spielzeug, Rennen und noch vieles mehr. Die Möglichkeiten sind unerschöpflich. Der Einfachheit halber greife ich im weiteren Text nur die Belohnung mit Futter auf.
Um diese Trainingsmethode so wirkungsvoll wie möglich zu machen, ist es also wichtig, dass man selbst ein sehr genaues Timing hat um dem Hund für das gezeigte Verhalten im richtigen Moment zu belohnen.

Beispiel:

Hund sieht Fremdhund               "Top"                                   Leckerchen fliegt
und bellt bereits                         Markerwort folgt                   (Belohnung)


Welches Verhalten wird in diesem Beispiel verstärkt?
Richtig, man verstärkt das bellen.
Das Markerwort ist also für die Verstärkung von Verhalten zuständig (denn wo belohnt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten wieder gezeigt wird) und verstärkt nicht nur positives Verhalten.
Deshalb ist es so wichtig das Markerwort bewusst und punktgenau zu nutzen.
 Vorallem am Anfang ist es wichtig einfache Situationen zu markern, um dem Hund erst einmal ein Gefühl dafür zu geben was man überhaupt von ihm will.

Hier ein Beispiel mit meinem Pflegehund wie Markertraining im Alltag aussehen kann. Zu Beginn wird er dafür bestätigt, dass er sich zu mir umorientiert. Danach dafür, dass er zwei Menschen ruhig angesehen hat, die in unsere Nähe kamen. Anschließend markere ich kleinere Kommandos. Zu diesem Zeitpunkt ist Rexi circa eine Woche bei mir.


Aber reicht es denn nicht einfach Leckerchen zu füttern?
Klar reicht es, aber es erschwert einem das Hundetraining auch um einiges.


Belohnt man direkt durch ein Leckerchen und markert das Verhalten nicht mit Click oder Wort, entsteht eine kleine Zeitspanne zwischen Verhalten und Belohnung, in der das Verhalten nicht stoppt, sondern weiter läuft. Zum Beispiel könnte der Hund bis dahin bellen oder zu uns laufen und ist der Hund bei uns angekommen belohnen wir nicht das ruhige Angucken von einem anderen Hund, was zwei Sekunden vorher geschehen ist, sondern das zu uns hin laufen oder bellen.
Eine Belohnung ohne Marker muss also immer unglaublich schnell und genau erfolgen um auch präzise Ergebnisse bringen zu können. Tut man das nicht, fördert man unwissentlich vielleicht Verhalten, das man nicht haben möchte.

Montag, 9. Mai 2016

Herr Ober, ich hab ein Haar in meiner Suppe!

Wer sich einen Hund anschafft, darf sich darauf einstellen, dass dieser viel haart, schließlich ist ja sein ganzer Körper mit Haaren bedeckt und die will er im Fellwechsel ja alle abschmeißen und erneuern. Ist ja klar oder?
Das ist klipp und klar.
ABER! Jammern wird man ja wohl noch dürfen!
Die Haare sind üüüüüberall! Im BH, in den Schuhen, im Essen, auf der frisch gewaschenen Wäsche, selbst auf der Tastatur fallen mir welche auf, während ich schreibe. Sie sind einfach überall.
Wie kleine Spione warten sie in jeder Ecke und  kaum hat man gesaugt, scheint der Boden in rasender Geschwindigkeit wieder bedeckt zu sein.
Da heißt es Krieg den Haarmonstern und möglichst oft saugen, Hunde im Garten auskämmen und fleißig die Kleidung "fusselbürsten". Manchmal hilft es mit anderen Hundehaltern über das Drama zu klagen, denn geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid. Drum rum kommt man nämlich nicht und so kann man nur noch darauf hoffen, dass der Fellwechsel bald vorrüber ist.

Sonntag, 8. Mai 2016

Familienzuwachs 2.0

Seit November 2013 bereichert Kormi unser Rudel. Sie stammt aus dem Tierheim Eger in Ungarn und wird nun im September 6 Jahre alt . Seit sie bei uns einzog gab es einige körperliche und verhaltenstechnische Aufs und Abs, an denen wir fleißig feilen. Frustrationstoleranz, Hundebegegnungen und alleine bleiben waren in der ersten Zeit unsere größten Hürden. Schnell fanden wir heraus, dass sie Türen aufmachen kann, sich mit Futter auch gerne selbst versorgt (freundlicherweise zieht sie es vor in Gesellschaft zu Essen und trägt geklaute Baguettes auf das Hundebett im Wohnzimmer) und beim Gassi gehen die Ohren gerne mal auf Durchzug stellt. Aber warum haben wir uns denn dann so einen schwierigen Zweihund angeschafft?
Die Antwort darauf ist ganz einfach: Weil sie zu mir passt. 
Die Probleme, die ein neuer Hund in der Familie mit sich bringen kann haben wir zu Anfang zweifelsohne unterschätzt. Klar gab es Tage, an denen ich verzweifelt war, aber wie bei so vielen Dingen im Leben bin ich in die Probleme meines Hundes und das damit verbundene Handling hereingewachsen. An Kormi habe ich in den zwei Jahren mehr gelernt als an jedem anderen Hund und die Fortschritte, die man an ihr und in meinem Handeln mit ihr erkennen kann sind gewaltig.
Einen schwierigen Hund zu halten ist sicherlich nicht leicht, aber im Endeffekt ist es wunderbar so wie es ist, denn Kormi hat genau die richtigen Probleme. Richtig für mich, weil ich mit ihnen umgehen kann. In den zwei Jahren haben wir viel über Gesundheitschecks (Röntgenbild, Blutbild, genaue Überprüfung der Schilddrüsenwerte, Vorstellung bei einer Tierphysiotherapeutin.) und Trainieren nach positiver Verstärkung erreichen können und Kormi kann nun langsam auch an den Dingen teilnehmen, die man so im Kopf hat, wenn man sich das Leben mit Hund vorstellt. (Zum Beispiel sie mit ins Geschäft zu nehmen, sie mal eben einen neuen Hund kennen lernen lassen und sie einfach ab und an alleine zu Hause zu lassen.) 
Für unsere gemeinsame Zukunft haben wir großes geplant und wir gedenken nicht mit unserer Entwicklung aufzuhören. Schon bald steht eine gemeinsame Reise in Kormis Heimatland an und wir bleiben gespannt, was es dann davon zu berichten gibt.